Ein Gartentor, dahinter ein verwachsenes, verwunschenes, zugewuchertes Haus. Nur wenige Sekunden braucht die Kamera, um den Zuschauer in eine Märchenwelt zu entführen. Eine Welt voller Faszination, Horror, Sex und den tiefsten Abgründen der Seele.
Dark Star ist ein Film über den genialen Maler, Skulpturenbauer und Filmausstatter HR Giger. Anhand seiner Häuser und der Menschen, die ihm nahestanden (diverse Ehen und Liebschaften durchziehen sein Leben) erzählt der Film die Lebensgeschichte Gigers, dessen düsteres Werk seit seinen Entwürfen für den Film Alien weltbekannt ist. Alte und sicher selten gesehene Filmausschnitte aus den wilden Jahren wechseln sich ab mit den stummen Spaziergängen durch das Haus, vollgeräumt mit Werken und Büchern, die sich bis in die Badewanne stapeln. Hat Giger die Spinnweben selbst aufgehängt? Ist das Kunst oder das lebendige Haus selbst, das sich hier als Gesamtkunstwerk zu einer unkontrollierbaren Eigenständigkeit hin entwickelt hat?
Die Idee zu diesem Film kam der Filmemacherin Belinda Sallin zufällig, als sie eine ehemalige Geliebte Gigers traf. Sie nahm Kontakt zu Giger auf, der, so Produzent Marcel Hoehn, dem Projekt bald positiv entgegenblickte, ja, vielleicht sogar auf diesen Moment wartete, auf diese späte Würdigung seines Lebenswerks und seiner Persönlichkeit. Giger war zum Zeitpunkt des Drehs schon alt, krank, gebrechlich. Seine Worte sind kaum zu verstehen, Interviews konnten die Filmemacher selten führen. Entsprechend vorsichtig nähert sich der Film dem Künstler an, lässt splitterhafte Einblicke in die Seele dieses gebrechlichen und zerbrechlichen Menschen zu, ohne ihn zu entblößen und zu entwürdigen.
Stark ist der Film dann, wenn die Kamera durch das Haus schleicht, weit davon entfernt, eine Kunstschau zu sein. Es ist das Labyrinth eines Lebens, eines Gehirns, eines Geistes, das sie durchschreitet, ein Labyrinth, das in seiner Tiefe unergründlich bleibt. Peter Scherer unterlegt die Bilder mit einem verträumten, dennoch intensiven Soundtrack aus harmonischen Flächen.
Leider begibt sich die Regisseurin in weiteren Episoden auf Reisen mit Giger, nach außerhalb, zeigt ausschnittsweise das Leben außerhalb des Labyrinths. Das ist aus dokumentarischer Sicht ehrenwert, stört aber die Stärken des Films als zutiefst berührendes, subjektives Werk. Hier wäre Verzicht angebracht gewesen, immer wieder verpasst der Film gute Möglichkeiten zum Ausstieg.
Dark Star ist ein würdiges, letztes Portrait für Giger, der 2014 kurz nach Ende der Dreharbeiten starb. Den Film konnte er nicht mehr sehen, aber uns bietet er die Chance, eineinhalb Stunden in einer Intensität zu erleben, an die selbst eine Giger-Ausstellung kaum herankommt.
Dramaturgie: +
Sex: +
Bilder: +
Story: o
Musik: +
Durchblick: +