Ein Film wie ein Faustschlag: trocken, hart, ohne Fragen. Eastern Promises beginnt mit einem Mord in einem russischen Friseursalon. Warum? Völlig egal, es geht um das Statement: Hier wird gehandelt, frag nicht, warum.
In dieses gewaltschwangere Millieu stolpert zufällig die Krankenhausärztin Anna (Naomi Watts), als ihr ein minderjährige junge Frau unter den Händen wegstirbt: Das Mädchen war schwanger, ihr Baby überlebt. Auf der Suche nach der Familie des Babys gelangt Anna in das Netz der russischen Mafia von London, an deren Spitze der Patriarch Semyon (Armin Mueller-Stahl) steht.
David Cronenberg inszeniert den Film als kalten, distanzierten Thriller. Die Bilder sind im unspektakulären 90er-Jahre-Stil, fern des modernen Hochglanzkinos. Schön, passend, stimmungsvoll, aber unaufdringlich. Dem Regisseur gelingt es damit, die Aufmerksamkeit auf die Geschichte zu lenken. Und auf die großartigen Schauspieler: Vor allem Watts überzeugt als großes Mädchen, das zwischen Erwachsensein, beruflicher Verantwortung und geplatzten Familienträumen laviert. Mueller-Stahl mimt großartig den Vater als zusammenhaltendes Element an der Spitze einer Familie, oberflächlich voll Güte, hintergründig aber klar auch an der Spitze der Organisation, deren Fäden er in der Hand hält.
Den Figuren ist es auch zu verdanken, dass Eastern Promises mehr ist als ein beinharter Thriller: Bleibt der Film meistens an der Oberfläche, sind es die Momente, in denen Cronenberg die Familien untersucht, die Tiefe zeigen: Wenn Anna mit ihrer Vergangenheit (und ihrem Onkel) hadert, wenn Semyon am Esstisch den Familienvater gibt, dann ist Eastern Promises richtig großes Kino.
Einzig die Wandlung von Viggo Mortensen, einem Neuling in den Strukturen der Mafiafamilie, im Laufe des Films wirkt überflüssig und einem hollywoodkonformen Erzählstrang geschuldet.
Dramaturgie: +
Sex: o
Bilder: o
Story: +
Musik: +
Schauspiel: o
Durchblick: -
Humor: -