Es gibt kaum einen besseren Ort, um das derzeitige Verhältnis von Kirche und Schäfchen besser aufzuarbeiten als ein Dorf im ländlichen Irland. Diesen Ort wählte Regisseur John Michael McDonagh für Calvary (benannt nach dem Ort, an dem Jesus für die Sünden anderer gekreuzigt wurde und äußerst ungeschickt ins Deutsche übertragen). In dem kleinen Küstenort lebt Father James (Brendan Gleeson), der katholische Priester der Dorfkirche. Ein glückliches Leben: steinalte Häuschen, malerische graugrüne Klippen, das Meer – und seine Schäfchen kommen jeden Sonntag in die Kirche. Doch als Father James eines Tages die Beichte abnimmt, hört er durch das vergitterte Beichtfenster, dass er nur noch eine Woche zu leben hat.

Father James nutzt diese Woche nicht zur Flucht vor der Drohung, sondern dazu, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Und Regisseur McDonagh nutzt diese Woche, um tiefer in die Gesellschaft des Ortes einzudringen. Die anfängliche Harmonie (gemeinsames Hostien essen in der Kirche) verfliegt schnell, und am Ende könnte fast jeder der mörderische Psychopath sein.

Der Film spielt hier auf vier Ebenen: Die Ebene des großen Kinos mit beeindruckenden Bildern einer bedrückend schönen Landschaft, die mit britischem Humor gespickte, aber schauspielerisch zu dick aufgetragene Charakterstudie der skurrilen Dorfbewohner (löbliche Ausnahmen: Aidan Gillen, Dylan Moran und M. Emmet Walsh, der sich nochmal älter macht, als er schon seit 30 Jahren aussieht), die unter die Haut gehende Familiengeschichte von Father James (vor allem dem großartigen Spiel von Brendan Gleeson geschuldet) und einer religionssoziologischen Ebene. Diese wird zwar nur angedeutet, ist aber neben den berechenbaren und flachen Handlungssträngen erstaunlich überzeugend. Immer klarer wird die Scheinheiligkeit der Menschen im Umgang mit der Kirche, aber auch die mangelnden Antworten der Religion auf die Lebensrealitäten im Mikrokosmos des Dorfes. Am Ende war Father James zwar für alle da, nur eigentlich wollte das keiner. Er selbst steht dagegen fast alleine.

Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll und tut vielleicht ein bisschen von beidem. Und doch gibt der Film eine Wärme und Hoffnung mit auf den Weg aus dem Kinosaal.

Dramaturgie: +
Sex: o
Bilder: +
Story: o
Musik: o
Schauspiel: o
Durchblick: +
Humor: +

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